Stefanie Goldbrich und ich sind durch das Thema Sternenkinder in Kontakt gekommen. Stefanies Geschichte über ihren Sohn Dominik, der nur fünf Tage leben durfte, berührte mich sehr.

In ihrem Buch beschreibt sie ehrlich und von tiefer Liebe zu ihrem Kind getragen, wie sie es schaffte, ihr Schicksal anzunehmen und eine neue Verbindung zu ihrem Kind aufzunehmen. Eine Verbindung von Herz zu Herz, die ihr hilft, nach Dominiks Tod dem Leben wieder zu vertrauen. 

Eigentlich wollte Stefanie ihre Geschichte nur für sich schreiben, um ihre Erinnerungen an Dominik festzuhalten und um das, was geschehen ist, für sich greifbar zu machen. Stefanies Umfeld war es letztendlich, das sie ermutigte, ihre Geschichte zu veröffentlichen, um damit anderen verwaisten Eltern Mut zu machen.

In einem Interview durfte ich mit Stefanie darüber sprechen und ihr meine Fragen stellen.

Meine Fragen an Stefanie 

 

1. Wie hast du und deine Familie Dominiks Diagnose aufgenommen?

Dominik

Stefanie mit ihrem Sohn Dominik


Es zog uns den Boden unter den Füßen weg. Eben waren wir noch so guter Dinge, weil es so gut bergauf ging, und dann trat dieser herbe Rückschlag ein, der sein Ende bedeutete. Warum musste das passieren? Warum durfte er so weit kommen, viel weiter als seine Sternengeschwister, und musste dann doch wieder gehen. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Es zerriss unsere Herzen. Schließlich haben wir uns alle auf Dominik gefreut. Kuscheln, baden, wickeln. Die große Schwester hatte schon mit ihren Puppen geübt, damit sie mir helfen kann.
 
Plötzlich war alles ruhig. Wir schwiegen miteinander und weinten miteinander.
 
 
 

2. Was war im Nachhinein betrachtet wichtig für das Abschiednehmen und für den Trauerprozess?

 

Grab von Dominik

Dominiks Grab

 


Erinnerungen! Erinnerungen waren für mich das Wichtigste beim Abschied nehmen. Man kann nur von etwas Abschied nehmen, wenn es auch existierte. Die Hand- und Fußabdrücke, die Taufkerze und selbst die verwackelten Bilder sind auch heute noch greifbare Erinnerungsstücke, die mir zeigen, dass mein Sohn wirklich da war. Er war nicht nur Teil eines Traumes, er war Teil meines Lebens und wird es für immer sein.
 
Die Erinnerungen an ihn und all die Gefühle und Gedanken, die ich in dieser Zeit hatte, hielt ich schriftlich fest. So konnte nichts verblassen. Das Buch, das Jahre später daraus entstand, ist mein wichtigstes Erinnerungsstück. Wenn ich darin lese, fühle ich mich in die Zeit mit ihm zurückversetzt. Selbstverständlich tut das weh. Doch da ist auch so viel Dankbarkeit und Liebe. Ich bin dankbar, dass ich ihn 40 Wochen lang in mir tragen und fünf Tage lang kennenlernen durfte.
 
Diese Dankbarkeit und die Vorstellung, ihn irgendwann wieder zu treffen, half mir immens auf meinem Trauerweg.
 
 
 
 

3. Gab es einen bestimmten Moment, in dem du wieder Zuversicht gespürt hast? 

 

Einen bestimmten Moment gibt es gar nicht. Es waren eher viele kleine Momente, die mich Zuversicht spüren ließen. Die Sonnenstrahlen auf der Haut, die mich wissen ließen, dass mein Sohn ganz nah bei mir ist. Die kleine Hand meiner Tochter in meiner Hand liegend, wenn wir spazieren gingen. Die offenen und ehrlichen Gespräche mit meinem Mann über unsere Gefühle und Gedanken. Und auch das Bewusstsein, dass befreundete Familien mit “nur” einem lebenden Kind glücklich sind.
 
Stück für Stück erlangte ich mein Urvertrauen zurück, dass mir die Zuversicht gab, dass ich mein Leben genießen darf und sogar soll. Mit meinem Sohn im Herzen. Er ist nicht weg, er ist uns nur vorausgegangen.
 
 
 
 

4. Wie stehst du heute zum Leben? Hat sich deine Sicht auf das Leben nach Dominiks Tod verändert?

 
Das Leben ist ein Geschenk. Jeder Tag, an dem ich aufwache und gesund bin, ist schön. Natürlich gibt es auch schlechte Tage, weitere Schicksalsschläge und Konflikte, aber all das geht wieder vorbei. Es sind nur Phasen, die man durchstehen muss.

Dominiks Tod hat mir gezeigt, wie schnell ein Leben vorbei sein kann. Anstatt panischer und ängstlicher zu werden, bin ich heute viel entspannter als vorher. Ich habe das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, überstanden und nehme Probleme nur noch selten als solche wahr. Es gibt für alles eine Lösung. Das Leben ist jedenfalls zu kurz, um sich ständig Sorgen zu machen.

 

5. Welchen Platz nimmt Dominik heute ein und wie begleitet er dich und deine Familie? Gibt es es ein Ritual, das euch verbindet?

 

Dominik ist und bleibt ein Teil der Familie. Er ist unser zweites lebend geborenes Kind und somit steht sein Bild zwischen denen meiner anderen beiden Kinder, die ich zum Glück begleiten darf.
 
Ein Teil unserer Oster- und Weihnachtsdeko schmückt jedes Jahr sein Grab, selbst wenn wir die Festtage gar nicht in der Nähe verbringen. Sein Geburtstag wird mit Geburtstagslied, Kuchen und bunter Deko gefeiert. Und auch sonst ist er ab und zu Gesprächsthema innerhalb der Familie. Immer, wenn es irgendwo um den Tod geht (z.B. in Büchern, im Kindergarten, in der Schule) reden wir über ihn. Die Kinder können meinem Mann und mir alle Fragen stellen und auch sie beantworten gern die Fragen ihrer Freunde oder Erzieher/Lehrer. Und wenn der Himmel abends in grellen Farben leuchtet, hat Dominik wieder für uns gemalt.
 
 
 
 

6. Buchtipp

 

Buchtipp

Buch-Cover

Eine Hand voll Sonnenschein: Stefanie Goldbrich

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