Wie ich es in der Praxis als Trauerbegleiterin erlebe, ist es für den Trauernden manchmal entlastend zu erfahren, dass der Prozess, in dem er sich befindet „normal“ ist. Ich möchte hier stellvertretend für andere existierende Trauerphasenmodelle das Modell von Elisabeth Kübler Ross näher beschreiben, welches sich in 5 Phasen gliedert. Ihr Trauerphasen-Modell zählt neben den vier Trauerphasen nach Verena Kast zu den bekanntesten.
Ich möchte in meiner Ausführung den Fokus auf die Trauerphasen im Bezug auf den Hinterbliebenen legen.
Inhaltsverzeichnis
– Das Trauerphasen Modell nach Kübler Ross
In den 1960-er Jahren entwickelte die Schweizer Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross ein Modell, um die Phasen der Trauer, die Trauernden häufig durchlaufen, zu beschreiben, wenn diese mit einem Verlust, einer schweren Krankheit oder einer Veränderung konfrontiert werden. (Siehe auch mein Artikel zu: Traueranlässen)
Kübler Ross war darüber hinaus Pionierin der Hospizbewegung, die sich auf die Betreuung von Sterbenden und ihren Familien spezialisierte.
Das Modell ist auch unter dem Namen „Modell der Trauerphasen“, „Modell der Sterbenden“ oder „Kübler Ross Modell“ bekannt. Obwohl das Modell ursprünglich zur Beschreibung des Umgangs mit dem Tod gedacht war, ist es auch auf andere Arten von Verlusten anwendbar. Dazu erwies es sich als nützlich für die Psychologie und Beratung von Trauernden.
– Die fünf Trauerphasen nach Kübler Ross
Es ist einer der schwersten Herausforderungen im Leben, einen geliebten Menschen zu verlieren. So individuell wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Trauerreaktionen.
Die fünf Phasen der Trauer im Modell von Kübler Ross
- 1. Verleugnung
- 2. Wut
- 3. Verhandeln
- 4. Depression
- 5. Akzeptanz
Es ist wichtig festzuhalten, dass die Phasen nicht linear und nicht unbedingt in dieser Reihenfolge durchlaufen. Die Phasen können in unterschiedlicher Reihenfolge auftreten und unterschiedlich intensiv sein.
1. Phase: Verleugnung
„Das kann nicht sein, das kann mir nicht passieren!“
Diese Phase ist geprägt von Schock, Unglaube, Starre und Betäubung. Der Trauernde leugnet die Realität der Situation und versucht, die Wahrheit zu ignorieren oder zu verdrängen.
Die Reaktion des Leugnens ist durchaus sinnvoll, um die Überforderung zu Beginn überleben zu können. Dabei ist sie ein natürliches Phänomen, die dem Trauernden hilft, sich zu schützen.
Sobald sich der Trauernde imstande fühlt, weiterzugehen, wird er den ersten Schritt selbst tun. Falls ihm dies nach längerer Zeit (einigen Wochen) nicht möglich ist, ist das Aufsuchen einer Beratung sinnvoll.
2. Phase: Wut
„Warum passiert mir das?“ , „Meinem Mann?“, „Meinem Kind!“
Diese Phase ist erfüllt von Wut. Der Trauernde ist frustriert und verärgert über die Situation und sucht möglicherweise nach einem Schuldigen. Seine Wut kann sich dabei u. a. in starker Gereiztheit, Aggression bis hin zu innerer Wut zeigen. Je nach Todesursache des Verstorbenen kann sich seine Wut auch an Gott oder unbeteiligte Dritte richten. Die Trauerreaktionen sind oft dann besonders heftig, wenn sich der Tod plötzlich, durch Fremdeinwirkung oder Gewalt ereignete.
Wut zu spüren und sie ausleben zu können, kann dem Hinterbliebenen helfen, sich zumindest zeitweise von den Schmerzen zu lösen. Das Unterdrücken der Wut kann hingegen auf Dauer krank machen und zu Depressionen führen.
Aus diesem Grund ist es für den Trauernden wichtig, einen für ihn passenden Weg zu finden, seine Wut in angemessener Weise ausdrücken zu dürfen. Dies kann z. B. in Formen von Schreiben, das Einschlagen in ein Kissen oder in Bewegung ermöglicht werden. Hierzu kann ich die Seite Seelensport: Trauerverarbeitung durch Bewegung empfehlen.
3. Phase: Verhandlung
„Warum habe ich nicht?“ „Hätte ich doch!“
Die dritte Phase ist die Phase der Verhandlung. Der Trauernde versucht, einen Kompromiss mit der Situation zu finden oder sich mit dem Verlust zu arrangieren. Dabei kann es passieren, dass der Trauernde versucht, eine höhere Macht zu beschwören oder Gott um Hilfe zu bitten.
Nicht selten kommen in dieser Phase beim Trauernden Momente auf, in denen er bezweifelt, dass der Verstorbene überhaupt gestorben ist. Er sehnt sich danach, dass der geliebte Mensch zurückkommt. Selbst wenn es dies rational nicht möglich ist, kann es sein, dass der Trauernde über das Zurückkommen mit dem Verstorbenen verhandeln möchte. Diese Phase ist nicht ungewöhnlich und ist Teil des Heilungsprozesses.
4. Phase: Depression
„Es hat keinen Sinn mehr“
In der vierten Phase steht die Depression im Zentrum. Der Trauernde ist traurig, fühlt sich leer und hoffnungslos. Es kann sein, dass er sich zurückzieht und sich von Freunden und Familie entfernt.
Dazu macht sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Trägheit, Apathie, Isolation und Traurigkeit in ihm breit. Der Trauernde nimmt selbst von diesen Dingen Abstand, die ihm normalerweise Freude machen.
Eine Trauerdepression kann sich unter Umständen über Monate hinziehen, solange bis der Trauernde wieder Hoffnung verspürt und weitergehen in sein Leben gehen kann.
5. Phase: Akzeptanz
„Es ist in Ordnung, so wie es ist!“
Die fünfte und letzte Phase ist geprägt von Akzeptanz. Der Trauernde akzeptiert die Realität der Situation und beginnt, sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Innerer Frieden und Ruhe können sich einstellen.
Der Trauernde verspürt zunehmend Interesse am Leben und schöpft neue Hoffnung, sein Leben neu zu gestalten. Dazu wendet er sich wieder seinen Freunden und Familie zu.
Der Trauernde hat für Wege sich gefunden, den Verstorbenen in das neue Leben zu integrieren. Dazu kann er für sein eigenes Leben etwas Wichtiges mitnehmen, woraus sich neue Interessensgebiete oder Hobbies entwickeln können.
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