„Ich bin hier, du kannst dich darauf verlassen, dass du sicher bist.“

In diesem Artikel möchte ich darüber schreiben, warum es wichtig ist, in der Trauer Halt zu finden. Daraus kann sich Mut entwickeln, neue Schritte zu gehen.

Manchmal begegnet man Menschen, die einem eine neue Perspektive eröffnen. Vor Kurzem unterhielt ich mich mit einer Schwimmlehrerin, die mit Begeisterung erzählte, wie sie ihren Schülerinnen und Schülern das Schwimmen beibringt. Sie erzählte von der Unsicherheit, der Angst vor dem Wasser – und von der sanften Unterstützung, die sie gibt, bis die Kinder den Mut finden, selbst zu schwimmen. Etwas später ist mir aufgefallen, wie viele Parallelen es zwischen dem Schwimmen lernen und der Trauerbegleitung gibt.

 

Die sanfte Stütze in der Trauer

 

Wann hast du das letzte Mal gespürt, dass du Halt brauchst, vielleicht in einer Situation, in der du jemandem vertrauen musstest, um einen Schritt weiterzugehen?

Erinnerst du dich an den Moment, in dem du als Kind schwimmen gelernt hast? Am Anfang war diese Unsicherheit, das Zögern, die Angst vor dem Unbekannten – und dann spürst du diese Hand, die sanft deinen Körper stützt. Die Schwimmlehrerin steht ruhig neben dir im Wasser, aufmerksam, beständig. Sie greift nicht unnötig ein, aber du weißt, dass sie da ist, falls du untergehen solltest. Genau dieses Wissen gibt dir den Mut, dich dem Wasser hinzugeben, einzutauchen und dich tragen zu lassen.

So ist es auch in der Trauer. Es geht nicht darum, sofort loszulassen oder „richtig“ zu trauern. Es geht darum, dich in deinem eigenen Tempo an das Unbekannte heranzutasten. So wie ein Kind beim Schwimmen entscheidet, wann es bereit ist, die Stütze loszulassen, darfst auch du in deiner Trauer bestimmen, wann du den nächsten Schritt gehen kannst.

Ein guter Trauerbegleiter ist daher wie eine erfahrene Schwimmlehrerin: präsent, aber nicht drängend. Diese Art des Daseins gibt dir die Sicherheit, die aus einer tiefen Akzeptanz entsteht. Deine Gefühle, dein Tempo, deine Art zu trauern – alles ist genau richtig, so wie es ist.

 

Mut entsteht durch Sicherheit

 

Wenn du weißt, dass du nicht allein bist, kannst du dich mehr auf den Prozess einlassen. Sicherheit ist die Basis für Mut.

Stell dir vor, die Schwimmlehrerin wäre nicht da oder würde dich einfach ins Wasser stoßen, ohne auf deine Angst einzugehen. Du würdest verkrampfen, panisch nach Halt suchen. Aber weil sie da ist, weil sie dich in deinem Tempo gehen lässt, wächst in dir Vertrauen. Dasselbe geschieht in der Trauerbegleitung.

So wie die Schwimmlehrerin das Kind nicht ins Wasser stößt, sollte auch niemand in der Trauer zu etwas gedrängt werden. Vertrauen wächst langsam. Ein guter Begleiter gibt dir nicht vor, wann du loslassen sollst oder wie du dich fühlen musst. Stattdessen schafft er einen Raum, in dem du dich sicher genug fühlst, um dich dem Schmerz zu öffnen. Und erst wenn du dich sicher fühlst, kannst du eintauchen, annehmen, weitergehen. Mehr dazu findest du in meinem Artikel: Meine Werte in der Trauerbegleitung.

 

Eintauchen und sich tragen lassen

 

Viele Menschen haben Angst, sich ihrer Trauer hinzugeben, weil sie befürchten, in ihr unterzugehen. Doch Trauer ist wie das Wasser: Sie kann dich tragen, wenn du lernst, ihr zu vertrauen. Anfangs vielleicht nur für kurze Momente, doch mit der Zeit wird dein Zutrauen stärker.

Die Schwimmlehrerin erklärte mir auch, dass der wichtigste Schritt beim Schwimmenlernen ist, das Wasser zuzulassen. Nicht dagegen zu kämpfen, sondern es zu fühlen, sich darauf einzulassen. So ist es auch mit der Trauer. Wenn du aufhörst, dich dagegen zu stemmen, und stattdessen langsam in den Prozess eintauchst, kann dich die Trauer selbst tragen.

 

Die Kunst des Haltens und Loslassens

 

Ein empathischer Begleiter spürt, wann du noch Halt brauchst und wann du bereit bist, loszulassen.

Manchmal brauchst du eine Hand, die dich sanft stützt, manchmal einfach nur die Gewissheit, dass jemand in deiner Nähe ist. In der Trauer geht es darum, diesen Wechsel zuzulassen: Halt annehmen, wenn du ihn brauchst, und loslassen, wenn du dich bereit fühlst.

Eine gute Trauerbegleitung fordert dich nicht auf, schneller zu trauern oder bestimmte Etappen zu erreichen. Sie ist einfach da, steht neben dir im Wasser, gibt dir Halt, wenn du ihn brauchst, und ermutigt dich, wenn du bereit bist, dich dem Prozess anzuvertrauen.

 

Dein Tempo, dein Weg

 

Es gibt keinen festen Plan, keine richtige oder falsche Weise, mit Trauer umzugehen. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, genau wie jedes Kind unterschiedlich schnell schwimmen lernt. Was für dich jetzt wichtig ist, ist die Erkenntnis, dass du nicht allein bist.

Erlaub dir, so langsam oder so schnell zu gehen, wie es sich für dich richtig anfühlt. Lass dich von Menschen begleiten, die dich halten, aber nicht festhalten. Vertraue darauf, dass du eines Tages die Kraft haben wirst, alleine zu schwimmen – und dass du bis dahin genau richtig bist, so wie du bist.

 

Schlussgedanken: Die Kraft des Daseins

 

Die Geschichte der Schwimmlehrerin zeigt, dass Begleitung nicht bedeutet, jemanden zu drängen oder zu ziehen, sondern ihm Raum zu geben, in seinem eigenen Tempo zu wachsen. In der Trauer ist es nicht anders.

Ein guter Begleiter gibt dir keine fertigen Antworten, sondern steht einfach mit dir im Wasser. Er signalisiert dir: „Ich bin hier, du kannst dich darauf verlassen, dass du sicher bist.“ Und aus dieser Sicherheit heraus entsteht Mut. Der Mut, in die Trauer einzutauchen, sich ihr hinzugeben und sich schließlich von ihr tragen zu lassen.

Vielleicht bist du gerade noch am Rand des Beckens und zögerst, ins Wasser zu gehen. Vielleicht schwimmst du schon, aber brauchst ab und zu eine Hand, die dich stützt. Egal wo du dich befindest: Du bist nicht allein. Es gibt Menschen, die dich begleiten, die dir Sicherheit geben, bis du selbst spürst, dass du getragen wirst – von der Kraft, die in dir selbst steckt.

Trau dich, das Wasser zuzulassen – du wirst nicht untergehen. Vielleicht ist heute der Tag, an dem du einen ersten Schritt ins Wasser wagst.

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