„Du musst nicht immer produktiv sein, um wertvoll zu sein.“
Brené Brown
Vielleicht fühlst du dich leer, unruhig oder irgendwie „daneben“. Die Tage ziehen vorbei, und du schaffst kaum etwas – genau das setzt dich unter Druck.
In Gesprächen mit Trauernden höre ich oft Sätze wie: „Ich sollte doch…“, „Alle anderen bekommen es doch auch hin…“. Aber Trauer folgt keinem Plan. Sie ist nicht logisch, nicht produktiv – sie ist zutiefst menschlich.
Mit diesem Artikel möchte ich dir sagen: Es ist völlig in Ordnung, gerade nichts zu schaffen. Du musst nicht stark sein, nicht funktionieren, nichts leisten. Du darfst einfach sein – ohne schlechtes Gewissen.
Vielleicht hilft dir dieser Text, dir selbst wieder näher zu kommen und den inneren Druck loszulassen. Du bekommst hier 20 Gründe, warum es gut und wichtig ist, dir selbst diese Erlaubnis zu geben – und wie das sogar ein Teil deiner Heilung sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Was passiert gerade in dir
1. Trauer ist keine Leistungssportart
Trauer ist kein Wettbewerb und keine Aufgabe, die du abhaken musst. Du musst keine Ziele erreichen oder Termine einhalten. Die Trauer hat ihr eigenes Tempo – und das darf so langsam oder chaotisch sein, wie es eben ist. Du bist kein Projekt, sondern ein Mensch, der gerade einen großen Verlust erlebt. Dieses Menschsein braucht Raum und Ruhe.
2. Dein Körper verarbeitet gerade viel
Dein Körper arbeitet hinter den Kulissen auf Hochtouren: Stresshormone, Schlafmangel, Erschöpfung. Manchmal merkst du das nicht sofort, aber dein Körper braucht Pausen. Wenn du versuchst, Dinge zu schaffen, obwohl dein Körper nach Ruhe schreit, wird das nur schwerer fallen. Du darfst jetzt gut auf dich achten und auch mal einfach nur sitzen oder liegen.
3. Deine Gedanken sind nicht klar
Trauer bringt Gedanken durcheinander. Entscheidungen fallen dir schwer, der Kopf fühlt sich voll und wirr an. In solchen Momenten ist es sinnvoll, keine wichtigen Aufgaben zu planen. Wenn du gerade nichts schaffst, ist das dein Geist, der sich sortiert. Das ist kein Fehler, sondern ein Zeichen von Achtsamkeit dir selbst gegenüber.
4. Emotionen brauchen Zeit
Trauergefühle kommen oft in Wellen, manchmal völlig unerwartet. Diese Emotionen wollen gefühlt werden, dürfen raus. Wenn du in diesen Momenten versuchst, produktiv zu sein, blockierst du dich selbst. Du darfst die Emotionen zulassen und brauchst keine Ablenkung durch „Schaffen“.
5. Du hast bereits viel geleistet
Vielleicht hast du in den letzten Wochen oder Monaten schon viel „geschafft“ – die Beerdigung organisiert, Familie unterstützt, Telefonate geführt. Diese Leistungen sind bedeutsam und anstrengend, auch wenn sie nicht immer sichtbar sind. Du darfst jetzt zur Ruhe kommen und musst nicht weiter funktionieren.
6. Perfektion ist gerade nicht gefragt
Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen. Gerade jetzt darfst du unvollständig, chaotisch und langsam sein. Du darfst Dinge liegen lassen, Dinge anders machen oder ganz sein lassen. Das ist ein wichtiger Schritt auf deinem Weg.
7. Das Leben ist gerade keine Produktivitätsmaschine
Im Alltag wird oft erwartet, dass wir ständig „leisten“. In der Trauer darfst du dich von diesem Druck befreien. Du bist kein Roboter, sondern ein Mensch mit Gefühlen, der Zeit braucht. Es ist okay, wenn du nur langsam vorankommst oder scheinbar nichts tust.
Warum du dich nicht rechtfertigen musst
8. Du bist nicht allein – auch wenn du dich so fühlst
Vielleicht hast du das Gefühl, dass alle anderen weitermachen und nur du „hängen“ bleibst. Doch viele Menschen kennen das: Trauer braucht ihre Zeit. Du darfst deine eigene Zeit nehmen, ohne dich zu vergleichen.
9. Das „Nichts-Tun“ ist eine Form der Selbstfürsorge
Auch wenn es sich seltsam anfühlt, manchmal ist Nichtstun genau das, was du brauchst. Es gibt deinem Körper und deiner Seele eine Pause, die wichtig ist, um neue Kraft zu sammeln.
10. Du darfst Fehler machen
Es ist okay, wenn du in der Trauer Entscheidungen triffst, die sich später anders anfühlen. Du musst nichts richtig oder gut machen. Du darfst experimentieren, Fehler machen, dich verändern.
11. Trauer ist ein Prozess, kein Zustand
Trauer verändert sich. Manchmal fühlst du dich leer, manchmal überflutet von Gefühlen. In diesen Schwankungen brauchst du keinen festen Plan, keine To-do-Liste. Du darfst dich treiben lassen.
12. Du bist mehr als deine Leistung
Dein Wert hängt nicht davon ab, wie viel du gerade schaffst. Du bist wertvoll, unabhängig davon, ob du produktiv bist oder nicht.
13. Kleine Schritte sind genug
Wenn du doch etwas tun möchtest, sind kleine Schritte völlig ausreichend. Du musst nicht große Pläne schmieden. Auch 5 Minuten an der frischen Luft oder ein Glas Wasser trinken zählen.
14. Deine Kreativität braucht Freiraum
Wenn du kreativ sein und deiner Trauer einen Ausdruck geben willst, funktioniert das am besten, wenn du nicht unter Druck stehst. Lass deinen Gedanken Raum und Zeit. Das kann auch bedeuten, erstmal nichts zu tun.
15. Du darfst deine Bedürfnisse an erste Stelle setzen
Trauer kann die Welt auf den Kopf stellen. Du musst nicht für andere sorgen oder Erwartungen erfüllen. Deine Bedürfnisse sind jetzt wichtig. Wenn du gerade nichts schaffst, ist das ein klares Signal, dass du dich um dich selbst kümmern darfst.
Wie du heilsam mit dir umgehen kannst
16. Erholung ist keine Verschwendung
Manchmal fühlt sich Erholung wie Zeitverschwendung an. Aber sie ist das Fundament für alles andere. Ohne Erholung ist kein Fortschritt möglich.
17. Das Leben kommt zurück, wenn du bereit bist
Vielleicht fühlst du dich jetzt verloren. Doch das Leben findet seinen Weg zurück – Schritt für Schritt. Du darfst dich auf diesen Prozess einlassen und musst ihn nicht erzwingen.
18. Du bist kein Problem, sondern ein Mensch mit Gefühlen
Manche Menschen meinen, du solltest schnell wieder „funktionieren“. Das ist aber ein Missverständnis. Du bist kein Problem, das gelöst werden muss, sondern ein Mensch, der gerade durch eine schwere Zeit geht.
19. Du brauchst keine Rechtfertigung für dein „Nicht-Schaffen“
Manchmal musst du anderen erklären, warum du gerade wenig machst. Aber eigentlich brauchst du das nicht. Deine Trauer ist Grund genug. Du darfst das für dich behalten.
20. Du bist auf einem Weg zu dir selbst
Trauer ist auch eine Reise zu dir selbst. Du lernst viel über dich, deine Grenzen und deine Kraft. Das „Nicht-Schaffen“ ist ein wichtiger Teil davon.
Wie kannst du das „Nicht-Schaffen“ annehmen?
Wenn du merkst, dass der Druck von außen oder von dir selbst kommt, kannst du dir diese Fragen stellen:
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Was brauche ich jetzt wirklich?
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Wie fühlt sich mein Körper gerade an?
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Kann ich mir erlauben, heute einfach nichts zu tun?
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Welche kleinen Dinge tun mir gerade gut?
Es hilft, dir immer wieder bewusst zu machen: Es ist okay, nichts zu schaffen. Du machst das großartig, so wie du bist.
Leichte Übungen für den Alltag
Hier ein paar Ideen, wie du dir selbst erlauben kannst, gerade wenig zu tun, aber trotzdem verbunden mit dir bleibst:
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Atemübung: Atme bewusst tief ein und aus, zähle dabei bis vier. Wiederhole das fünfmal. So kommst du im Moment an.
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Sich etwas Gutes tun: Gönn dir eine warme Tasse Tee oder eine kurze Dehnübung. Das sind kleine Anker in schwierigen Zeiten.
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Mit der Natur verbinden: Wenn du rausgehst, berühre Blätter, Steine oder spüre die Sonne auf deiner Haut.
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Notizen machen: Schreibe kurze Sätze auf, wie du dich fühlst – ohne Bewertung.
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Sanfte Bewegung: Auch langsames Gehen oder sich wiegen lassen kann dir helfen, dich zu erden.
Abschließende Worte
Du bist auf einem sehr herausfordernden Weg, und es ist mutig von dir, dich damit auseinanderzusetzen. Das „Nicht-Schaffen“ ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Teil deiner Heilung. Du musst niemandem etwas beweisen, nicht einmal dir selbst.
Gib dir die Erlaubnis, diese Phase so zu durchleben, wie es für dich richtig ist. Du bist nicht allein – auch wenn es sich manchmal so anfühlt.
Und denk immer daran: Du bist gut so, wie du bist – gerade jetzt, mit all deinen Gefühlen und Pausen.
Danke, gerade jetzt waren deine Ausführungen sehr heilsam für mich. Gestern war die Urnenbeisetzung meiner Mutter. Beim kirchlichen Begräbnis konnte ich nicht dabei sein, weil ich einen Tag nach dem Tod meiner Mutter Herzprobleme bekam und zum Zeitpunkt des Begräbnisses im Krankenhaus lag. Jetzt ist es fast mittags, ich sitze noch im Nachthemd da und bin noch voller Emotionen zum Abschied von meiner Mutter. Vor 1,5 Jahren habe ich meinen Lebensgefährten verloren – jetzt vereinigt sich dieser Schmerz und das Gefühl des Verlassenseins ist gerade sehr groß. Meine Mutter war fast 90 Jahre, mein Lebensgefährte erst 57. Ich weiß, ich muss nichts, meine Gesundheit und deren Wiedererlangung stehen im Vordergrund. Ich hatte noch Glück bei allem. Meine Trauer darf ihren Platz haben. Ich kenne mich mittlerweile schon gut damit aus. Ich glaube an das Leben und die Liebe und will meinem Leben und meiner Umwelt mit Freundlichkeit begegnen. Zur Zeit brauche ich alle Kraft, um mit mir selbst freundlich zu sein …. Man kann die Trauer nicht abkürzen, zu dieser Erkenntnis bin ich auch schon gekommen. Man kann sich helfen lassen, alles Mögliche nutzen, reden …. Im Endeffekt muss man selber durch – ich glaube, das ist die Erkenntnis, die ich gewonnen habe. Aber ein offenes Ohr eines zuhörenden, lieben Menschen ist für mich immer wieder die größte Hilfe. Die Zeiten alleine – die ich auch sehr brauche – heißt es zu überstehen.
Danke, dass du deine so ehrlichen und tiefen Worte mit mir teilst. Es ist vollkommen richtig, dir die Zeit und Ruhe zu geben, die du jetzt brauchst, um in deinem eigenen Tempo zu trauern und heil zu werden. Ich wünsche dir viel Kraft und Wärme auf deinem Weg und hoffe, dass du immer wieder Menschen findest, die dir liebevoll zuhören.